Tether: Die größte, aber zugleich zerbrechlichste Stütze der Krypto-Welt
Autor: Clow
Herausgeber: Baihua Blockchain
Originaltitel: Die 184 Milliarden Dollar von Tether balancieren auf dem Drahtseil
Tether (USDT) mit einer Marktkapitalisierung von 184 Milliarden Dollar ist das Fundament der Liquidität auf dem Kryptomarkt. Das tägliche Handelsvolumen übersteigt oft die Summe von Bitcoin und Ethereum. Doch dieses digitale Dollar-Imperium steht vor einer beispiellosen dreifachen Krise.
Im vierten Quartal 2025 stufte Standard & Poor’s sein Rating auf die niedrigste Stufe „schwach“ herab; BitMEX-Gründer Arthur Hayes warnte, dass ein Rückgang der Gold- und Bitcoin-Bestände um 30 % Tether in den Bankrott treiben würde; die Vereinten Nationen und Verbraucherorganisationen beschuldigen USDT, zum bevorzugten Werkzeug für Betrug, Geldwäsche und sanktionierte Akteure in Südostasien geworden zu sein.
Ist Tether eine uneinnehmbare Festung oder ein wankender Riese?
01. S&P spricht das Todesurteil
Im November 2025 senkte S&P das Tether-Rating von „4 (eingeschränkt)“ auf „5 (schwach)“ – die niedrigste Stufe im Bewertungssystem.
Für institutionelle Investoren, die strengen Compliance-Anforderungen unterliegen, ist der Besitz von Vermögenswerten mit „schwach“-Rating gleichbedeutend mit Selbstmord im Vorstand.
Die Begründung von S&P ist eindeutig: Tether stockt aggressiv hochriskante Vermögenswerte auf.
Zahlen lügen nicht. Laut dem Attestationsbericht für das dritte Quartal 2025 stieg der Anteil risikoreicher Vermögenswerte von 17 % auf 24 %. Für jeden 100 Dollar USDT stehen 24 Dollar in Bitcoin, Gold, mysteriösen Krediten und „anderen Investitionen“:
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Bitcoin: 9,85 Milliarden Dollar
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Gold und andere Edelmetalle: 12,9 Milliarden Dollar
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Besicherte Kredite: 14,6 Milliarden Dollar
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Andere Investitionen: 3,9 Milliarden Dollar
Schlüsseldaten: Tethers Eigenkapitalpuffer beträgt etwa 6,8 Milliarden Dollar, während die Bitcoin-Bestände diesen Wert übersteigen.
„Wenn der Bitcoin-Preis stark fällt und andere risikoreiche Vermögenswerte an Wert verlieren, wird die Deckungsquote der Tether-Reserven unter 100 % sinken“, schrieb S&P unverblümt.
Zum Vergleich: Circle (USDC) erhielt ein „starkes“ Rating, da es fast vollständig durch US-Staatsanleihen und Bankeinlagen gedeckt ist.
Tether hingegen gleicht eher einem aggressiven Makro-Hedgefonds, der mit US-Staatsanleihen Zinsen verdient und die Gewinne in Bitcoin und Gold investiert – eine Wette auf eine langfristige Abwertung des Dollars.
Tether-CEO Paolo Ardoino konterte scharf: „Wir tragen euren Hass mit Stolz.“
Er hat Grund dazu: Tether hält über 100 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen, mit einer jährlichen Rendite von 4–5 %, verdient also jedes Jahr Milliarden im Schlaf. Welche traditionelle Bank arbeitet nicht mit hohem Hebel? Tether ist immerhin voll gedeckt.
Doch der Markt ändert die Regeln nicht wegen harter Worte. Das S&P-Downgrade hat Tether bereits von den Compliance-Listen institutioneller Investoren gestrichen.
02. Das Weltuntergangsszenario eines Traders
Arthur Hayes hat für Tether eine Rechnung aufgestellt – einfach und brutal.
Die Logik basiert auf einer Grundschulformel: Eigenkapital = Gesamtvermögen – Gesamtverbindlichkeiten
Laut dem von BDO veröffentlichten Tether-Bericht für das dritte Quartal 2025:
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Gesamtvermögen: 181,2 Milliarden Dollar
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Gesamtverbindlichkeiten: 174,4 Milliarden Dollar
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Eigenkapitalpuffer: 6,8 Milliarden Dollar
Hayes konzentriert sich auf die „gefährlichen“ Vermögenswerte: 22,8 Milliarden Dollar in Bitcoin und Gold.
Stresstest: Wenn beide gleichzeitig um 30 % fallen, verliert Tether 22,8 Milliarden × 30 % = 6,84 Milliarden Dollar – das löscht das gesamte Eigenkapital aus.
30 % sind kein extremes Szenario. Am 12. März 2020 fiel Bitcoin um 40 %, beim LUNA-Crash 2022 um 35 %. Im Kryptomarkt ist das durchaus realistisch.
Doch die Gegenargumente ließen nicht lange auf sich warten.
Der ehemalige Citi-Analyst Joseph Ayoub wies darauf hin, dass Hayes einen entscheidenden Punkt übersieht: Tether besitzt eine Gelddruckmaschine.
135 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen, 4 % Rendite pro Jahr, bedeuten monatlich 450 Millionen Dollar Gewinn. Selbst bei einem Buchverlust von 6,8 Milliarden wäre das in 15 Monaten ausgeglichen – vorausgesetzt, es kommt nicht zu einem massiven Bank Run.
Noch wichtiger: Tether verfügt über 140 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln. Selbst bei Rücknahmen von 50 Milliarden Dollar (weit mehr als beim FTX-Crash) könnte Tether durch den Verkauf von US-Staatsanleihen reagieren, ohne Bitcoin zu Schleuderpreisen verkaufen zu müssen.
Solange der Markt nicht gleichzeitig einbricht und ein Bank Run stattfindet, kann Tether überleben.
Doch Krisen kommen oft geballt. 2008 fiel Lehman genau so: Markteinbruch + Liquiditätsengpass + verweigerte Zusammenarbeit der Gegenparteien.
Tether ist längst kein „Stablecoin“ mehr, sondern ein gehebelter Makro-Hedgefonds.
03. Die Ursünde des Werkzeugs?
Im Jahr 2025 erreichte der öffentliche Diskurs um Tether einen neuen Höhepunkt.
Verbraucherschutzorganisationen bombardierten den Times Square und nationale Fernsehsender mit Vorwürfen, Tether sei die „Währung der Wahl für Kriminelle“. Ein UNODC-Bericht der Vereinten Nationen enthüllte die Rolle von USDT bei Verbrechen in Südostasien.
Eine Untersuchung von Elliptic ergab, dass Wallets der kambodschanischen Plattform „Huiwang Guarantee“ über 11 Milliarden Dollar an Transaktionen abgewickelt haben, der Großteil davon in USDT. Diese „Amazon der Kriminalität“ bietet Geldwäsche, gefälschte Pässe, gestohlene Konten und mehr als Komplettpaket an.
Die Daten sind echt, die Fälle existieren. Doch sind diese Vorwürfe fair?
Anders betrachtet: Auch Bargeld in US-Dollar ist das bevorzugte Zahlungsmittel globaler Verbrechernetzwerke. Mexikanische Drogenkartelle, kolumbianische Kartelle, Terrorgruppen im Nahen Osten – alle nutzen Dollar. Doch niemand bezeichnet den Dollar deshalb als „Verbrechenswerkzeug“.
Weil jeder versteht: Das Werkzeug selbst ist neutral, entscheidend ist der Nutzer.
Ein Küchenmesser kann Gemüse schneiden oder verletzen, aber niemand würde deshalb allen das Messer verbieten.
USDT dient auch Millionen legaler Nutzer:
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Absicherungsinstrument: In Ländern mit hoher Inflation wie Argentinien oder der Türkei nutzen Bürger USDT, um ihr Vermögen vor der Abwertung der Landeswährung zu schützen;
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Grenzüberschreitende Zahlungen: Millionen Freelancer und E-Commerce-Händler weltweit transferieren mit USDT kostengünstig Geld;
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Marktinfrastruktur: USDT unterstützt den täglichen Handel von zig Millionen Investoren weltweit.
Noch ironischer: USDT agiert tatsächlich als „digitaler Botschafter des Dollars“ und stärkt dessen globale Reichweite.
Für jeden ausgegebenen USDT steigt die Nachfrage nach Dollar-Vermögenswerten um einen Dollar. Tether hält über 100 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen – das entspricht den Reserven eines mittelgroßen Landes. In gewisser Weise ist Tether die digitale Verlängerung der Dollar-Hegemonie.
Tether ist sich seiner Lage bewusst, arbeitet aktiv mit den Behörden zusammen, friert verdächtige Wallets ein, gründete mit TRM Labs die „T3 Financial Crime Unit“ und kooperiert mit FBI und DOJ, um Kriminelle zur Rechenschaft zu ziehen.
Aus dieser Perspektive sollte Tethers Engagement anerkannt und nicht nur kritisiert werden.
Das eigentliche Problem ist nicht das Werkzeug USDT, sondern: Wie kann effektive Regulierung geschaffen werden, ohne Innovation zu ersticken? Wie findet man das Gleichgewicht zwischen Kriminalitätsbekämpfung und Schutz legaler Nutzer?
04. Washingtons Dilemma
Für die US-Regierung ist Tether ein komplexes Thema.
Einerseits wird USDT zur Umgehung von Sanktionen und Geldwäsche genutzt und berührt damit die nationale Sicherheit.
Andererseits stärkt USDT die globale Reichweite des Dollars. In Regionen, die das traditionelle US-Bankensystem nicht erreicht – von Lateinamerika über Afrika bis Südostasien und den Nahen Osten – ist USDT der „digitale Stellvertreter“ des Dollars.
Ein Verbot von Tether würde die Dollarnachfrage in diesen Regionen direkt an die Konkurrenz abgeben.
Das ist ein echtes Dilemma.
Tethers Strategie ist klar: Einerseits arbeitet man aktiv mit den Behörden zusammen, um sich als „Verbündeter“ zu präsentieren; andererseits sucht man geopolitischen Schutz, investiert in El Salvador und bindet sich eng an das Land, das Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat.
Doch die Kontrolle über die Dollar-Abwicklung liegt letztlich in Washington. Sollte das Finanzministerium (OFAC) Tether auf die Sanktionsliste setzen, wären weltweit alle mit USDT interagierenden Akteure von Sekundärsanktionen bedroht.
Noch heikler: Tethers mehr als 100 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen werden von Cantor Fitzgerald in New York verwahrt. Sollte die Regierung deren Einfrieren anordnen, wären die „Überschussreserven“ über Nacht unerreichbar.
Ironischerweise gilt: Je mehr US-Staatsanleihen Tether hält, desto abhängiger wird es von der US-Regulierung. Tether glaubt, „sichere Vermögenswerte“ zu kaufen, legt aber in Wahrheit sein Schicksal in Washingtons Hände.
05. Fazit
Tether steht im Jahr 2025 auf dem Drahtseil.
Aus finanzieller Sicht ist Tether derzeit nicht überschuldet. Das S&P-Downgrade und Hayes’ Szenario weisen auf potenzielle Risiken hin – die Vermögensstruktur ist tatsächlich fragil, das Risiko-Exposure steigt. Doch solange es keinen „Crash + Bank Run“-Sturm gibt, reichen die hohen Zinserträge und Liquiditätsreserven aus, um Zyklen zu überstehen.
Die eigentliche Unsicherheit liegt in Washingtons Haltung.
USDT ist als Werkzeug neutral, wie Dollar, Gold oder KI – es kann legal genutzt oder missbraucht werden. Entscheidend ist nicht das Verbot des Werkzeugs, sondern die Regulierung der Nutzer.
Tethers Bemühungen – das Einfrieren krimineller Konten, Zusammenarbeit mit Behörden, Aufbau von Compliance-Systemen – sollten anerkannt werden. Doch im geopolitischen Machtspiel weicht Rationalität oft politischen Interessen.
Für normale Investoren gilt: USDT zu halten ist nicht dasselbe wie Bargeld in Dollar zu besitzen. Es ähnelt eher einer „Hochzinsanleihe“ mit Bitcoin-Volatilität, Kredit- und geopolitischem Risiko. Man genießt Liquidität und globale Reichweite, trägt aber auch das Risiko regulatorischer Schocks.
Das S&P-Downgrade und Hayes’ Warnung sind kein Aufruf zum sofortigen Verkauf, sondern eine Erinnerung: Die Risikoprämie hat sich verändert.
USDT bleibt eine unverzichtbare Infrastruktur des Kryptomarkts und bietet weiterhin Millionen Nutzern weltweit einen Mehrwert. Doch sein Schicksal hängt nicht nur von der Bilanz ab, sondern vor allem davon, wie Washingtons politische Waage am Ende ausschlägt.
Denn dieses digitale Dollar-Imperium mit einer Marktkapitalisierung von 184 Milliarden Dollar balanciert auf dem Drahtseil.
Ein Windstoß könnte es zu Fall bringen.
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