Ripple meidet die Wall Street nach Sieg über die SEC

Während die Kryptoindustrie dank klarerer Regulierung und wachsendem Interesse institutioneller Investoren das Marktvertrauen zurückgewinnt, schlägt Ripple einen unerwarteten Kurs ein. Trotz eines juristischen Sieges gegen die SEC und eines außergewöhnlichen Wachstumsjahres verzichtet das kalifornische Unternehmen auf einen Börsengang. Diese Entscheidung steht im Kontrast zu den Ambitionen anderer Branchenteilnehmer und wirft Fragen zur langfristigen Strategie des Unternehmens auf.

Eine klare Entscheidung trotz günstiger Rahmenbedingungen

Während Ripple gerade einen Krypto-Brokerage-Service für institutionelle Investoren gestartet hat, beendete die Präsidentin des Unternehmens, Monica Long, in einem von Bloomberg berichteten Interview die anhaltenden Spekulationen: „Wir haben keine Pläne oder einen Zeitplan für einen Börsengang.“

Diese Aussage erfolgt in einem dennoch günstigen Umfeld, da das Unternehmen ein Rekordjahr verzeichnet und gerade siegreich aus seinem langen Rechtsstreit mit der SEC hervorgegangen ist. Dieser strategische Kurswechsel widerspricht früheren Aussagen von CEO Brad Garlinghouse, der den IPO 2020 als eine „natürliche Entwicklung“ für Ripple betrachtete.

Statt einer Börsennotierung betont Ripple seine starke finanzielle Position und die Fähigkeit zur Eigenfinanzierung. Hier die wichtigsten Punkte:

• Eine Kapitalerhöhung von 500 Millionen Dollar wurde abgeschlossen, mit Beteiligung führender institutioneller Investoren: Citadel Securities, Pantera Capital, Galaxy Digital, Brevan Howard und Marshall Wace;

• Diese Kapitalerhöhung ist Teil eines öffentlichen Rückkaufangebots über eine Milliarde Dollar, wodurch Ripple mit etwa 40 Milliarden Dollar bewertet wird;

• Das Unternehmen hat in den letzten Jahren mehr als 25 % seiner ausstehenden Aktien zurückgekauft und so die interne Kontrolle gestärkt;

• Laut Schätzung von CB Insights erzielte Ripple im Jahr 2024 einen Umsatz von 1,3 Milliarden Dollar;

• Monica Long begründet diese Strategie mit der finanziellen Autonomie des Unternehmens: „Wir sind sehr gut kapitalisiert und können unser gesamtes organisches Wachstum, Akquisitionen und strategische Partnerschaften finanzieren.“

• Die zunehmende Akzeptanz des RLUSD-Stablecoins sowie eine bessere regulatorische Klarheit auf internationaler Ebene haben es Ripple laut Unternehmensangaben ermöglicht, die Kundenbasis im Jahr 2024 zu verdoppeln.

Diese Faktoren bestätigen, dass Ripple keinen finanziellen Druck verspürt, Kapital an öffentlichen Märkten aufzunehmen, und dass das Unternehmen einen unabhängigen Ansatz in einem sich neu strukturierenden Krypto-Ökosystem bevorzugt.

Ripple setzt auf strategische Kontrolle und Diskretion

Hinter dieser Entscheidung steht auch der Wunsch, Informationen zu kontrollieren und die durch einen Börsengang auferlegte regulatorische Last zu vermeiden. Durch die Entscheidung, privat zu bleiben, behält Ripple große Freiheiten in der Unternehmensführung und im Umgang mit Finanzdaten.

Monica Long hat sogar abgelehnt, genaue Umsatzzahlen für 2024 zu nennen – ein Zeichen für eine Strategie, die Diskretion über Öffentlichkeit stellt. Im Gegensatz zu börsennotierten Unternehmen kann Ripple weiterhin verhandeln, investieren und umstrukturieren, ohne gegenüber Aktionären oder Finanzmarktaufsichtsbehörden Rechenschaft ablegen zu müssen.

Obwohl Ripple im März einen bedeutenden juristischen Sieg gegen die SEC errungen hat, hat diese Prüfung Spuren hinterlassen. Das Unternehmen musste über vier Jahre Unsicherheit durchstehen, was eine gewisse Zurückhaltung erklären könnte, sich erneut der US-Aufsicht auszusetzen – selbst in einem günstigeren Umfeld.

Vorsicht scheint daher zu überwiegen, auch wenn Giganten wie Circle oder Gemini offen den Weg an die Börse gehen. Diese Ablehnung muss nicht endgültig sein, markiert aber einen klaren Willen, nichts zu überstürzen – gerade jetzt, wo der Markt neue Höchststände erreicht.