Der Kryptospace kam auch in der letzten Woche nicht wirklich zur Ruhe. Während sich die Kurse aktuell statt in einem „Uptober“ eher in einer Konsolidierung befinden, manche sprechen schon von einem Downtober, ordnet sich die gesamte Kryptowelt anscheinend gerade neu.
Ein Staatsoberhaupt begnadigte den wohl bekanntesten Börsengründer der Branche, während Milliarden über Bitcoin-ETFs in den Markt rauschen, Cloud-Infrastrukturen straucheln, Aktien digital zerlegt werden und ein Königreich am Himalaya seine Verwaltung auf Ethereum hebt.
Es scheint, als würde die Krypto-Welt gerade ihr eigenes System-Update fahren – nur ohne zu wissen, ob nach dem Neustart alles noch funktioniert.
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Toggle„Begnadigt. Nächster Akt?“ – der CZ-Moment und sein Echo
Der wohl lauteste und vermutlich umstrittenste Paukenschlag war in dieser Woche die Begnadigung von Changpeng “CZ” Zhao . Mit einem Federstrich wurde die Verurteilung des Binance-Gründers zumindest auf dem Papier ausradiert. Diese Begnadigung kommt allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht aus reiner Großzügigkeit. Denn Trump macht selten etwas ohne Eigennutz.
CZ war im vergangenen Jahr wegen Verstoß gegen das Geldwäschegesetz zu vier Monaten Haft verurteilt worden und wieder wurde, wie so oft, das Narrativ gespielt, dass es sich bei der Verurteilung um Politik handelt. Dank der Begnadigung könnte CZ als CEO zu Binance zurückkehren. Ob er dazu Pläne hat, ist aktuell offen.
ETFs im Turbo-Modus: Kommt der„Uptober“ auf den letzten Metern doch noch?
Parallel dazu verzeichneten die Spot-Bitcoin-ETFs zuletzt wieder kräftige Mittelzuflüsse. In der Woche bis zum 24. Oktober flossen rund 446 Millionen US-Dollar in die Anlagevehikel – zwar weniger als in den Boom-Wochen zuvor, aber immer noch ein Zeichen dafür, wie stark institutionelles Kapital inzwischen im Markt verankert ist.
Trotzdem sollte man das nicht als eine reine Erfolgsmeldung betrachten. Die zunehmende Dominanz macht Bitcoin abhängiger von denselben Finanzstrukturen, gegen die der Token ursprünglich entworfen wurde. Große Zuflüsse bedeuten kurzfristige Stabilität, aber sie ziehen eben auch dieselben Mechanismen an, die klassische Märkte steuern, sprich Zinsentscheidungen, Risikoappetit, Quartalsstrategien. Ob der „Downtober“ doch noch zum „Uptober“ auf den letzten Metern wird, ist auch deswegen aktuell fraglich.
Ausserdem: Was auf den ersten Blick also danach aussieht, als ob Bitcoin endlich erwachsen wird, ist vielmehr ein zweischneidiges Schwert: professioneller, ja – aber auch berechenbarer, kontrollierter und anfälliger für Kapitalrotationen. Bitcoin bleibt dabei weniger ungebändigt als früher – und das gefällt nicht jedem, der einmal wegen genau dieses Ungezähmten eingestiegen ist.
Tokenisierte Aktien: Vision, Venture – und viele, viele Fragezeichen
An sich hat diese Idee durchaus Potenzial und könnte die Finanzmärkte tatsächlich verändern: Aktien als digitale Token, rund um die Uhr handelbar, global zugänglich, bruchstückweise besitzbar. Allerdings gibt es da ein klitzekleines Problem: das Regelwerk. Aufsichtsbehörden weltweit warnen vor signifikanten regulatorischen Lücken. Es geht um Anlegerschutz, Marktintegrität und um Zuständigkeiten, alles Themen bei denen die zuständigen Behörden äußerst empfindlich reagieren. Wenn dieselbe Aktie parallel auf einer Blockchain und an einer regulierten Börse zirkuliert, entstehen rechtliche Grauzonen und Liquiditätsbrüche.
Robinhood experimentiert in der EU mit tokenisierten Versionen von US-Aktien, Coinbase bemüht sich um eine Zulassung für blockchainbasierte Wertpapiere in den USA, und sogar die Nasdaq arbeitet an einer eigenen Plattform für den Handel mit tokenisierten Assets.
Wenn „dezentral“ am DNS hängt: Der AWS-Ausfall als Reality-Check
Kaum etwas hat die Branche so unsanft geerdet wie der jüngste Cloud-Ausfall in den USA. Ein paar Stunden Serverstillstand bei Amazon – und schon zeigten Wallets plötzlich Null-Bestände, Layer-2-Netzwerke liefen im Schneckentempo und bei beliebten Apps und Spielen ging nichts mehr. Das Problem lag nicht in der Blockchain, sondern im Unterbau: Web3 lief über Web2-Infrastruktur – und die stolperte. Damit bekam der große Traum von der Dezentralisierung einen unangenehmen Realitätscheck, wenn der halbe Markt an denselben Cloud-Knoten hängt.
Viele Projekte reden gern über Unabhängigkeit, aber kaum jemand will wirklich unabhängig sein, solange es bequem ist. Eigene Nodes? Zu teuer. Mehrere Provider? Zu kompliziert. Erst wenn die API hustet, merkt man, wie dünn das Fundament ist, auf dem viele dieser Systeme stehen. Der Ausfall war zwar kein Weltuntergang – aber ein Warnsignal. Wenn „Dezentralisierung“ am Ende bedeutet, dass alle denselben zentralen Dienstleister nutzen, dann ist das Konzept weniger Revolution als Rebranding.
Himalaya auf der Mainchain: Bhutan macht’s offiziell
Während viele Staaten noch über Blockchain-Pilotprojekte reden, zieht Bhutan das Ding einfach durch. Das kleine Königreich baut gerade seine nationale digitale Identität auf Ethereum auf und wird damit zum ersten Staat der Welt, der seine Bürgerdaten über eine öffentliche Blockchain verwaltet.
Jeder Bürger bekommt eine verifizierbare digitale Identität, nutzbar für Behörden, Bildung, Gesundheit oder Finanzen. Die Daten sollen dem Einzelnen gehören, nicht dem Staat. Das klingt zwar nach Selbstbestimmung, wirft aber unweigerlich die alte Frage auf: Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Denn Bhutan setzt nicht auf eine eigene, geschlossene Blockchain, wie es viele andere Regierungen vielleicht tun würden, sondern auf eine öffentliche Infrastruktur. Das ist zwar mutig, birgt aber auch gewisse Risiken. Denn mit der Offenheit kommt auch Abhängigkeit: Bhutan hat keine Kontrolle über das Fundament, auf dem sein digitales Identitätssystem läuft.
Wenn Ethereum ein technisches Problem hat, eine Governance-Entscheidung fällt oder die Community sich spaltet, kann das Auswirkungen auf die staatliche Verwaltung haben. Dazu kommen Datenschutzfragen, weil öffentliche Blockchains zwar sicher, aber nicht anonym sind – Metadaten und Transaktionsmuster bleiben sichtbar. Dann gibt es auch noch die politische Dimension: Was passiert, wenn staatliche Infrastruktur von globalen Netzwerken abhängt, die keiner Regierung gehören?
Trotzdem ist das Experiment bemerkenswert. Es zeigt, dass Blockchain im staatlichen Kontext realisierbar sein kann. Bhutan probiert aus, was viele Demokratien nicht einmal zu denken wagen – und zwingt damit den Rest der Welt, sich zu fragen, wie viel Offenheit eine digitale Gesellschaft wirklich verträgt.
Zuletzt aktualisiert am 26. Oktober 2025



